Eliteuniversität mit Studiengebühren
20 | 02 | 2014   

TEXT  Prof. Dr. Presber, Institut für Mikrobiologie, Charité

Diesen Beitrag schreibe ich nicht nur, weil ich darum gebeten wurde, sondern auch für mich selbst – so bin ich gezwungen, mir deutlicher als es sonst nötig wäre zu formulieren, was mich an einigen Diskussionen, die ich seit vielen Jahren immer wieder führe, stört.


Zwei der drei neuralgischen Begriffe, bei denen Diskussionen über universitäre Ausbildung schnell ihre Sachlichkeit verlieren,  sind schon in der Überschrift enthalten, der dritte, neben Eliteuniversitäten und Studiengebühren, ist Prüfungen. Ihr alleiniges Erwähnen hat in der Vergangenheit, insbesondere bei Studierenden, sofort zu Abwehrreaktionen geführt.

Was mich wahrscheinlich am meisten gestört hat, und bei derartigen Diskussionen noch immer stört, ist das Fehlen nur des Versuches, sich auf Ziele zu einigen, die man mit einem Universitätsstudium erreichen will, um dann zu erkennen, ob bestimmte Mittel geeignet wären oder nicht.

Eine Universität sollte anwendungsbereites Wissen und Fähigkeiten vermitteln. Zu den Fähigkeiten, die neben dem abrufbaren Wissen  erworben werden, gehören insbesondere auch das Erfassen von Wesentlichem, das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen, die Fehleranalyse und  Kritikfähigkeit. Das kann man am besten am Beispiel von Forschung demonstrieren und erlernen – durch jeweils aktuelle Beispiele aus der Forschung in der Lehre und durch Einbeziehung der Studierenden in die Forschung.

Dies entspricht dem Anliegen einer modernen Universität nach Humboldt´schen Vorstellungen, wenn die Freiheit von Lehre und Forschung garantiert ist. Die Anwendungsbereitschaft soll ermöglichen, dass mit den erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten auch einem gesellschaftlichen Bedarf entsprochen wird, oder, um es profaner zu sagen, dass man damit ohne viel weiteren Aufwand Geld verdienen kann, weil das Wissen und die  Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind.

Natürlich müssten derartige Universitäten ein breites Spektrum postgradualer Ausbildungen anbieten. In Graduiertenkollegs oder Doktorandenseminaren sollten die Grundlagen für eine wissenschaftliche Karriere gelegt werden können.

Wenn man einer solchen Vorstellung folgt, dann dient eine Universität nicht primär dem Ziel der Selbstverwirklichung von Studierenden, sondern sie erfüllt einen Zweck für die Gesellschaft, und diese sollte dann bereit sein, mehr oder weniger die dafür nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Auch wenn Studierende, Lehrende und Zahlende sicher nicht immer die gleichen Zielsetzungen haben, haben sie wenigstens gleiche Wertvorstellungen?

Kann man den Wert der Bildung in Summen von Finanzmitteln, die ausgegeben werden, ausdrücken? Sicher nicht! Als Beteiligter bin ich  befangen, aber ich bin überzeugt, dass man nur schwer für Bildung zu viel ausgeben kann, aber man kann sie „unter Wert verkaufen“. Wenn Bildung von denen, die von Berufs wegen mit ihr zu tun haben (Studierende und Lehrende), nicht geachtet wird, dann verliert sie sicher auch an „Wert“ in den Augen der Gesellschaft und damit an Bereitschaft, für sie zu bezahlen – Bildungsausgaben werden Sparpotenziale.

Da die gebräuchlichste Art einen Wert zu bemessen, das Festlegen einer finanziellen Größe ist, muss die Frage erlaubt sein, ob es möglich ist, den Wert der Bildung offensichtlicher an einen „Geldwert“ zu binden.

Die einfachste Art sind Studiengebühren, die sich zum Beispiel nach Angebot und Nachfrage von Studienplätzen richten würden. Stellen wir uns einmal vor, die Gesellschaft erkennt sowohl den Wert der Bildung an, als auch die Anstrengungen derer, die bereit sind, sie sich zu erwerben. Die Honorierung erfolgt durch Erlass der Gebühren – in Form von Gutscheinen. Jeder hat Anspruch auf eine berufsqualifizierende Ausbildung, einschließlich eines ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses, in einer angemessenen Zeit.

Angemessene Zeit hieße zum Beispiel Regelstudienzeit plus 20%. Das Geld, welches der Staat bereit ist, für die Bildung auszugeben, würde nur zum Teil (z.B. Bonusfinanzierung für die Forschung) wie bisher direkt an die Universitäten fließen. Der andere Teil würde in Form der erwähnten Bildungsgutscheine an die Studierenden (oder Lehrlinge) ausgegeben. Reichen die Gutscheine nicht bis zur Vollendung eines Ausbildungsweges, weil sie die Zeiten ohne nachvollziehbaren Grund überschritten haben, dann muss privat weiter finanziert werden. Das wäre in meinen Augen ein guter Anreiz, das Studium zügig zu absolvieren.

Die Studierenden würden sich an den Universitäten bewerben, an denen sie ihre Ziele am besten und schnellsten erreichen können. Wenn das Geld, welches jetzt in die Ausbildung gesteckt wird, in Gutscheine umgewandelt würde, und die Universitäten würden von den Studierenden die entsprechenden Gutscheine bekommen, dann würden die Universitäten beginnen mit guten oder besseren Studienangeboten um die „zahlenden“  Studierenden zu konkurrieren, was dann auch wieder den Studierenden zu Gute kommen würde.

Universitäten könnten auch weiterhin einen Numerus clausus für besonders nachgefragte und/oder besonders teure Studiengänge aufrecht erhalten – eine beschränkte Anzahl von Studienplätzen und eine beschränkte Anzahl von Gutscheinen für bestimmte Studiengänge.Bei stärkerer Nachfrage würden sich die Universitäten die Studierenden auswählen können: je besser die Universität, desto mehr Bewerber, um so größer die Auswahl – diese Vorstellung würde mir schon gefallen. Die Studierenden suchen sich die für sie geeigneteste Universität aus, und die Universitäten suchen sich die Studenten aus, von denen sie erwarten, dass sie besonders leistungsbereit sind. In vielen Bereichen der Gesellschaft werden derartige Prinzipien kritiklos akzeptiert. Neben dem Sport, gilt das auch schon für bestimmte universitäre Bereiche: z.B. in der Musikausbildung.

Warum sollen nur Begabte die Möglichkeit bekommen, künstlerische Fächer zu studieren, hat doch jeder Abiturient ein uneingeschränktes Recht, nicht nur jedes Fach seiner Wahl zu studieren, sonder auch beliebig viel Zeit dafür zu beanspruchen. Das ist nicht nur ineffizient, es schafft in vielen Fällen auch Frust bei den Studierenden, die zu spät bemerken, dass sie den Anforderungen nicht genügen.

Nachgefragt ist eine Universität oder ein Studiengang an einer Universität aber nur, wenn sie den Studierenden in der entsprechenden Zeit einen Abschluss garantiert, der seinerseits nachgefragt ist, weil er gute Jobaussichten wahrscheinlich macht.

Für ausländische Studierende könnte man Stipendien vergeben – z. B. in dem Umfang, in dem heute Studierende aus anderen Ländern bei uns ausgebildet werden. Diese Stipendien sollten eine Anerkennung für vorher erbrachte Leistungen sein. Auch in diesem Falle wäre der Wert des Studiums offensichtlicher.

Bei Gesprächen mit potentiellen Studierenden aus dem Ausland wurde oft die Meinung vertreten, dass sie lieber in den USA oder Großbritannien studieren würden, da die Tatsache, dass man dort Studiengebühren bezahlen muss, ein qualitativ hochwertiges Studium garantieren würde.

Dieses hochwertige, an Gutscheine gekoppelte Studieren würde auch bedeuten, dass der Wert, die Bedeutung  der Lehre (insbesondere im Vergleich zur Forschung) auf der Werteskala innerhalb der deutschen Universitäten steigen würde. Die Bereitschaft der Studenten die Lehre zu evaluieren und damit an der Verbesserung teilzunehmen würde steigen.

Aber zur Verbesserung der Lehre gehört auch die ständige „Lernzielkontrolle“, die sowohl dem Lehrenden, als auch dem Studierenden kontinuierlich zeigt, ob das angestrebte Ziel erreicht ist. Diese kontinuierliche Bewertung würde eine Anerkennung von erbrachten Leistungen (auch Teilleistungen) erleichtern. Eine Einführung modularisierter Studiengänge würde dies notwendig machen und auch die Flexibilität der Studierenden erhöhen. So könnten die verschiedenen Lehrangebote an einer Universität besser genutzt werden, indem individuelle Kombinationen möglich werden. Darüber hinaus macht dieses System Hochschulwechsel auch ins Ausland einfacher. Kontinuierliche Teilprüfungen würden auch große Abschlussprüfungen („Hammerexamen“) überflüssig machen.

Erfahrungen mit Teilprüfungen – in unserem Falle Eingangsprüfung für das Mikrobiologie-Praktikum im Regelstudiengang Medizin – haben gezeigt, dass die durch die Prüfung erzwungene theoretische Vorbereitung zu einer besseren Akzeptanz des Praktikums geführt hat.

In der Evaluation wurde unser Praktikum nach Einführung der Vorprüfung besser bewertet, als vorher. Und eine weitere Verbesserung, zumindest im Teil Bakteriologie, den ich überblicken kann, gab es nach Einführung des „Abschlusstestates“. Sowohl die Lehrenden, als auch die Studierenden konnten zeitnah sehen, ob das Lehr- bzw. Lernziel erreicht wurde.

Die Ergebnisse der Testate, wie auch der Evaluationen, werden institutsintern ausgewertet und fließen als Modifikationen in die Vorbereitung des nächsten Praktikums ein. Diese – wenn auch nicht immer ganz freiwillige – kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Lehre, mit dem Ziel der Verbesserung des Lehrangebotes, ist in meinen Augen ein Beitrag, ein erster Schritt der Studierenden und des Lehrkörpers zu einer Eliteuniversität.

Ein anderer großer Beitrag der Studierenden sollte, neben der kontinuierlichen Mitarbeit an den Evaluierungsprozessen, in der zügigen und bestmöglichen Bewältigung des Studiums bestehen.

Ideal wäre es, wenn dies aus eigenem Antrieb der Studierenden erfolgt, weil sie so schnell wie möglich, so gut wie möglich ausgebildet sein wollen, und nicht, weil die Bildungsgutscheine nicht länger reichen. Das Resultat eines derartigen gemeinsamen Strebens von Lehrenden und Studierenden wäre eine Eliteuniversität – wo ist also das Problem?

Ich glaube, auch wenn die derzeitige Diskussion anders verläuft, dass man eine Eliteuniversität nicht planen kann. Man kann sich nur einem bestimmten Ziel verpflichtet fühlen und bestimmte Prinzipien umsetzen, – dazu gehören eine größere Eigenständigkeit der Universitäten bei der Auswahl der Studenten, Leistungsdruck auf der einen, aber auch ständige Lehrevaluation und Verbesserung der Lehre und von vornherein optimale Betreuung auf der anderen Seite.

Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem das angestrengte Lernen und das engagierte Lehren Spaß machen. Diejenigen, die sich an einem derartigen Ort finden sind die Keimzelle, der Grundstock einer Eliteuniversität. Eine Eliteuniversität kann man nicht beschließen, und sie ist sicher auch nicht vordergründig eine Frage des Geldes. Sie ist primär eine Frage des Selbstverständnisses der Studierenden und der Lehrenden. Das Prädikat Eliteuniversität bekommt man von anderen, von der Gesellschaft verliehen; verliehen unter anderem für die Leistung, exzellente Absolventen ausgebildet zu haben. Und hier sollten sich die Interessen der Studierenden und der Lehrenden eigentlich treffen. Für mich hat der Versuch eine Eliteuniversität zu werden, etwas sehr reizvolles, auch wenn es sicher mit mehr Arbeit (aber eben auch mit mehr Erfolgserlebnissen) verbunden sein wird.

Nicht nur unter dem gegenwärtigen finanziellen Druck, sondern auch in dem Bestreben ein derartiges Ziel zu erreichen, welches durchaus im Sinne der Studierenden ist, halte ich eine Diskussion über Prüfungen, Eliteuniversitäten und auch Studiengebühren nicht nur für erlaubt, sondern auch für notwendig.

Wenn man das am Beginn formulierte Ziel im Auge behält, ergibt sich zum Beispiel, dass Gebühren für Langzeitstudenten keine gute Lösung sind. Eine Möglichkeit der Universität in den Zeiten knapper Kassen (viel) Geld zu „verdienen“, wäre die „Produktion“ von Langzeitstudenten, die zudem noch wenig Arbeit machen. Das Gegenteil vom angestrebten Ziel würde erreicht. Ein gemeinsames Ziel kann man nur erreichen, wenn beide Seiten belohnt werden und es hat sich gezeigt, dass ein immaterieller Lohn nicht reicht, der materielle Lohn ist letztendlich aber das Geld. Warum also nicht über Geld (oder Gutscheine) und Eliteuniversitäten reden?

 

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